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Rückblick - Vortrag zu Antisemitismus

Antisemitische Klischees in der Geschichte und ihre Auswirkungen auf das Verhältnis zwischen Juden und Nichtjuden heute.


Zum Referenten

Im Anschluss an die ACK-Konferenz vom 12.09.2024 – in der Vineyard-Gemeinde Aachen – begrüßt Pastor Edgar Daub (FeG Aachen) einige Gäste sowie den Referenten des Abends: Prof. Dr. Wolfgang Heinrichs. Dabei erwähnt Pastor Daub, dass er im Rahmen seines Theologiestudiums bereits Unterricht beim renommierten Kirchenhistoriker und Antisemitismusforscher Heinrichs genossen habe.


Prof. Dr. Wolfgang Heinrichs doziert an der Bergischen Universität Wuppertal und ist Theologe im Bund Freier evangelischer Gemeinden. Er selbst bezeichnet sich als „wandelnde Ökumene“: Aufgewachsen als Sohn eines Juden und einer Katholikin, studierte er evangelische Theologie – ganz klassisch an einer evangelischen Universität – und landete schließlich im Bund Freier evangelischer Gemeinden, einer Freikirche.


Zum Vortrag

In seinem Vortrag zum Thema „antisemitische Klischees und ihre Auswirkungen auf die heutige Konflikt-Situation in Israel“ nimmt Heinrichs uns Zuhörende mit auf eine gleichsam spannende wie tragische Reise durch die Geschichte. Angefangen bei judenfeindlichen Äußerungen bereits in vorchristlichen Zeiten, über anti-pharisäische und anti-sadduzäische Kritiken innerhalb des Neuen Testaments landen wir bei Kirchenvater Augustinus, der in seinem „Traktat gegen die Juden“ (lat. Tractatus adversus Judaeus) gemeinsam mit anderen Kirchenvätern gewissermaßen die Grundlage für jeglichen Antisemitismus im Christentum gelegt hat. Auf ihn und seine Formulierungen wurde und wird teils bis Heute immer wieder Bezug genommen. Wir reisen weiter in die Zeit des Mittelalters, in der die Juden nicht zuletzt durch die Mission der Franziskaner und Dominikaner zum erklärten Feindbild werden und als Chiffre für alles „Widergöttliche“ gelten. Legendenbildungen entstehen – Juden seien Ritualmörder, Brunnenvergifter, Hostienschänder…Für jedes Unglück brauchte es Schuldige – man war sich einig: Es sind die Juden.

Eine weitere Station machen wir in der Reformationszeit. Martin Luther. Kein anderer Name steht so sehr für diese Zeit wie eben dieser. Und auch er ließ sich nicht nur von dem Antisemitismus seiner Zeit anstecken, sondern lieferte mit seiner These – Juden seien „Teufelskinder“, da sie das Evangelium nicht annehmen – neue vermeintliche „Begründungen“ für ein antisemitisches Denken und Handeln. Julius Streicher (1885-1946) einer der radikalsten Antisemiten der NSDAP bezog sich später in seinen Hetzreden ausdrücklich auf Luther.

Die Reise geht weiter über die Zeit der Aufklärung und wir landen im 20. Jahrhundert. Geredet wird nun von Rassen, es wird zu Progromen aufgerufen und Wilhelm II. sagt im August 1927: „Juden und Mücken müssen vernichtet werden. Ich glaube, das Beste wäre Gas.“ Diskriminierung und Verfolgung der Juden führt zu massiven Auswanderungen. Juden werden gezwungen auszuwandern und durch die Folgen massiver Auswanderungsbewegungen kommt es andernorts zu Problemen – nicht zuletzt in Israel selbst.


Was nehme ich (Jonas Decker) mit?

Prof. Dr. Wolfgang Heinrichs führte uns vor Augen, dass wir in zweifacher Weise auf tragische Art und Weise in die unheilvolle Geschichte unzähliger Juden verwoben sind: So sind wir als christliche Kirche in der Geschichte nicht nur „Mittäter“, sondern vielmehr Begründer für Antisemitismus. Und als Deutsche sind wir mitverantwortlich dafür, dass Juden bis heute auf der Suche nach einem Zuhause sind und ein solches nicht finden können. Wir sehen nicht nur dem Krieg rund um Israel von außen zu – wir sind vielmehr mitverantwortlich dafür, dass es diesen Krieg heute gibt.

Ich bin als deutscher Christ auf zweifache Art und Weise verwoben in eine schrecklich-dramatische und unsägliche Geschichte von Glaubensgeschwistern – das sind Juden für mich heute. Ich will mich von dieser Geschichte lösen, indem ich bekenne, dass wir als Kirche und wir als deutscher Staat versagt haben. Ich will auf Juden hier in Aachen zugehen, ich will Beziehungen aufbauen und ich will jeglichem Antisemitismus, den ich wahrnehme, nicht dulden – sondern vielmehr entschieden entgegentreten.





Shalom, Jonas Decker (Pastor der FeG Christusgemeinde Aachen & Vorsitzender der ACK Aachen)

 

 

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